Designpreise helfen dem Möbelhandel kaum

Josef-Lauten-Stiftung initiierte brisantes Thema

Helfen Designpreise beim Verkauf im Möbelhandel? Je nach Perspektive der Befragten dürften die Antworten auf diese Frage äußerst unterschiedlich ausfallen. Grund genug für die Josef-Lauten-Stiftung, dieses brisante Thema als Projektarbeit der Fachschule des Möbelhandels in Köln, kurz Möfa genannt, zu übertragen. Zwei Jahre arbeiteten insgesamt zwölf Studierende des Dualen Studienganges 2009 an dem Thema. Am 23. Februar 2012 präsentierten sie die Ergebnisse ihres Projektes in der Aula der Möfa vor rund achtzig Zuhörern. Kommilitonen und Dozenten, Journalisten sowie Geschäftsführer und Mitglieder des Stiftungs-Kuratoriums applaudierten der Präsentation. Sie nahmen die Schlussfolgerung zu Kenntnis, dass das Thema Designpreise im Handel bisher nicht angekommen ist.

Unter Federführung ihres Dozenten Dr. Michael Weide, der seit 1988 an der Möfa als Studiendirektor auf die Themen Designgeschichte, Raumplanung und -gestaltung spezialisiert ist, widmete sich die Projektgruppe mit Akribie der Aufgabe. Das zu diesem Projekt angesprochene Design Zentrum NRW (red dot) unterstützte den Projektstart mit einer grundlegenden Einführung in die eigene Arbeit. Was ursprünglich mit dem Arbeitsthema „Designpreise Top oder Flop?“ startete und unter der Überschrift „Potenzial Designpreise: die stille Power im Verkauf“ Fahrt aufnahm, gliederte sich in präzise Arbeitsstufen. Händler- und Endkundenbefragung, Definition und Vereinfachung der Begrifflichkeiten zur Argumentation im Handel sowie die Analyse, welcher Wert dem Design grundsätzlich zuzuordnen ist.

Kennen Sie Designpreise?

Die Kenntnis darüber, ob Kunden überhaupt auf Designpreise anzusprechen sind, hilft fraglos im Verkauf. Eine gründliche Kundenbefragung liefert aufschlussreiche Erkenntnisse. Bei den 16- bis 30-jährigen Kunden, kennen 77 Prozent keinen Designpreis. Mit 60 Prozent ist die Unkenntnis bei den 31- bis 50-jährigen Befragten etwas geringer. 73 Prozent der 50- bis 65-Jährigen und 70 Prozent der Gruppe 65 plus kennen keine Designpreise. Das ernüchternde Fazit: „Designpreise sind bei unseren Endkunden allgemein noch eher unbekannt.“

Kein Wunder also, dass bei Entscheidungskriterien wie Optik und Preis kaum eine Bereitschaft zu erkennen ist, für die mit Designpreisen ausgezeichneten Möbel mehr Geld auszugeben.

Dieses enttäuschende Ergebnis überrascht umso mehr, wenn die Basis bekannt ist. Insgesamt 54 unterschiedliche Designpreise listete die Projektgruppe auf. Aufgrund der nahezu unüberschaubaren Vielzahl von mehr oder weniger bekannten Designpreisen konzentrierte sich die Arbeit auf die bekanntesten Auszeichnungen, wofür im Ranking red dot, der Deutsche Designpreis und der iF-Award die Prominentenliste anführen.

Die Schönheit des Mehrwerts

Diese im Umfeld des Möbelhandels ermittelten Prozentwerte überraschen umso mehr, wenn andere Studien herangezogen werden. Die vom Markenverband vorgelegte Untersuchung, die als Deutschlands größte Studie zum Mehrwert von Design gilt, verdeutlicht den Wert des Designs. Am Beispiel von Apple, BMW oder sogar IKEA wird danach deutlich, dass Design – und in seiner Folge auch Designpreise – Zeichen ausgeprägter Unternehmenskultur sein kann. Im Ergebnis kann man die Produkte vom Firmenschriftzug befreien, und sichtbar wird trotzdem die Marke. Marken in der Möbelbranche charakterisieren bestenfalls Vokabelwissen ohne Produktidentifikation.

Nutzt der Möbelhandel Designpreise?

In der Befragung des Handels wurde deutlich, dass die Mehrheit Designpreise durchaus als verkaufsfördernd einstuft. Und trotzdem verblüfft das Ergebnis, dass 44 Prozent der Händler des mittleren Preissegments einen Designpreis nicht in die Verkaufsargumentation einbeziehen. Im mittleren Preissegment nutzen nur 50 Prozent einen Designpreis in der Beratung als Thema. Ganz anders sieht es im hohen Preissegment des Handels aus. Hier beraten 77 Prozent der Händler in Richtung der Designpreise und nutzen sie als verkaufsfördernde Argumentation.

Und wie steht die Möbelindustrie zu Designpreisen?

Die Frage erübrigt sich nahezu. Im Herstellerbereich haben die preisvergebenden Institutionen massiv Fuß gefasst. Die Fülle der Auszeichnungen, die in den Vergabe-Kriterien nahezu deckungsgleich sind, findet ihre Abnehmer. Mit Stolz kennzeichnen die Hersteller ihre Modelle mit dem wertenden Label. Vollmundig steht in den Verkaufsunterlagen, dass eine unabhängige und möglichst hochkarätige Jury den ohnehin seit Jahren betonten Produktwert bestätigt habe. Ein entsprechendes Etikett am Produkt beendet die Argumentationskette in dem Irrglauben, dass der Preis bekannt genug sei, um für sich selbst zu sprechen.

Die Themen Designpreise und Design sind mithin im Handel nicht angekommen, schlussfolgerte die Projektgruppe. „Der Handel braucht Nachhilfeunterricht in der Frage, wie Design zu verkaufen ist“, hieß es in Köln. Mehr noch: Die für die Designpreise verantwortlichen Institutionen sind aufgefordert, über ihre häufig nicht preiswert gepflegte Eigendarstellung hinaus den Preisträgern ein Argumentarium an Hand zu geben, das in der Vermarktung bis hin zum Endverbraucher unterstützend hilft.

Stimmen zur Projektarbeit

Mit einer in sich stimmigen Einleitung hatte Dr. Michael Weide den nicht zu leugnenden Wert von Innovationen und Design betont. Er unterstrich den kulturellen Status gelungener Produktgestaltungen, stellte den Wirtschaftsfaktor von Innovationen heraus und zitierte Designgrößen wie Dieter Rams, Steve Jobs und Michael Thonet, der 1859 das Thema Design mit seinem Bugholzstuhl für die Möbelindustrie hoffähig machte.

Doch die heutige deutsche Möbelindustrie, so Wilfried Wadsack als Sprecher der Josef-Lauten-Stiftung, investiere zu wenig in Forschung und Entwicklung. Während sich mehr als zwei Drittel aller Hersteller selbstgefällig für innovativ halten, beläuft sich die am Umsatz gemessene Quote für F & E-Ausgaben auf 2,1 Prozent (Quelle: ZEW – Statista Analyse 2011). Fortschrittliche Industrien wie die Biotechnologie investierten dagegen über 20 Prozent in die Entwicklung von Innovationen.

Franz Hampel, Geschäftsführer der Stiftung und Vorstandsvorsitzender der Garant-Möbel-Holding AG, resümierte schließlich, dass der Verkauf mehr als statistisch ermittelbar über Emotionen läuft. Natürlich können dabei Designpreise helfen. Hampel: „Designpreise, wie sie bisher vermarktet werden, brauchen wir nicht!“

Fazit: Designpreise als stille Power im Verkauf entfalten ihr Potential mehr als unzureichend. Sie sind im Marketing die große Reserve, die mit intelligenter Kreativität neue Impulse für den Verkauf schaffen könnte. Die auf den Zielgraden ihres dualen Studiums aktive Projektgruppe nimmt Vieles mit, was ihr in ihrem Berufsleben neue Perspektiven eröffnet.